- Hohe Prävalenzzahlen und Komorbiditäten psychischer Störungen stehen im Widerspruch zu den erheblichen Behandlungslücken und Wartezeiten für den Zugang zu einer Psychotherapie (BPtK, 2021; Mack et al., 2014).
- Weniger als 25 % von psychisch Betroffenen suchen überhaupt eine psychologische Behandlung auf. Davon erleben die meisten von ihnen deutlich zu lange Wartezeiten von teilweise bis zu neun Monaten.
- Innovative digitale Dienste können eine Lösung für das o.g. Problem darstellen und die Versorgungslücke verbessern.
- Digitale Angebote gelten als niederschwelliger Zugang zu psychologischer Unterstützung und können von Menschen genutzt werden, für die eine klassische Psychotherapie nicht in Frage kommt - entweder aufgrund persönlicher Vorlieben oder aufgrund anderer Hindernisse wie örtlicher und zeitlicher Beschränkungen.
Allerdings sind digitale Angebote nicht gleich digitale Angebote. Hier wird zwischen “geleiteten” (von Therapeuten begleitenden) und “ungeleiteten” (von Therapeuten nicht begleitenden) Programmen unterschieden (Karyotaki et al. 2021; Pauley et al. 2021; Tayler et al. 2021).
Digitale Gesundheitsanwendungen (kurz DiGAs) werden von Ärzten und Psychotherapeuten meist auf Rezept zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz verschrieben. Die Wirksamkeit digitaler Interventionen im Allgemeinen ist zwar nach bisheriger Forschungslage gegeben, aber ungeleitete DiGAs, die ausschließlich ohne therapeutische Unterstützung vom Patienten durchgearbeitet werden, sind zur Überbrückung von Wartezeit nur wenig geeignet (Fuhr und Kollegen, 2018)
Die o.g. Studie hat u.a. offenbart, dass der persönliche Kontakt unabdingbar ist. So arbeiteten Patienten, die sich bereits vorab für eine reguläre Face-to-Face Psychotherapie entschieden hatten, weniger intensiv und mit weniger Ambitionen die DiGA durch. Letztlich erhofften sich die Teilnehmer bald die “richtige” Psychotherapie mit einem echten Therapeuten zu absolvieren und warteten daher lieber ab, statt sich vorab selbst mit einer DiGA zu therapieren. Letztlich unterstreichen alle Studienergebnisse ganz deutlich, wie wichtig der persönliche Kontakt zum Therapeuten ist, wenn es darum geht, eine wirkungsvolle Therapie zu konzipieren.
Der persönliche Kontakt in der Psychotherapie ist also unabdingbar. Die Frage, die sich nun stellt: Lässt er sich mit einer DiGA verbinden?
Die verschiedenen Integrationmöglichkeiten lassen sich hinsichtlich ihres Grades an Verzahnung unterscheiden. Der Verzahnungsgrad bemisst sich an dem Kriterium, inwieweit die analoge Psychotherapie mit der digitalen verknüpft ist. Anders ausgedrückt: Wie sehr sind die Online-Interventionen mit den Psychotherapiesitzungen “verwoben”? Die verschiedenen Integrationsmöglichkeiten werden in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. So kann eine digitale Intervention als Ergänzung zur Psychotherapie angeboten werden, ohne integriert zu sein, z. B. vor einer Psychotherapie, um die Wartezeit zu verkürzen (erste Variante ganz oben). Sie kann aber auch ein integraler Bestandteil der Behandlung sein, so wie sie die Psychotherapie Akademie unterstützt (vierte Variante ganz unten → höchster Verzahnungsgrad).
Das Konzept mit dem höchsten Verzahnungsgrad, bei dem Patienten zwischen den Therapiesitzungen eine App nutzen und deren Inhalte und Übungsanleitungen im Therapiegespräch vor- und nachbesprochen werden, ist besonders effektiv und wirkungsvoll.
Die besten Ergebnisse finden sich in der “gemischten” Psychotherapie, die die Psychotherapie Akademie unterstützt und fördert. In der Forschung wird sie auch als "verzahnte Psychotherapie" oder "blended therapy" bezeichnet. Sie verbindet digitale Interventionen mit einer persönlichen Psychotherapie und es entsteht die Verschmelzung zwischen analoger und digitaler Hilfe.
Gemischte Therapien vereinen die Vorteile von DiGAs mit der traditionellen Psychotherapie. Sie verbinden die Flexibilität und den besseren Wissenstransfer für den Alltag auf der einen Seite (via App) mit einem persönlichen und individuellen Kontakt, der es ermöglicht, Krisen rechtzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren (Schuster, Pokorny et al., 2018; Schuster et al., 2020).
- Die Therapiedauer einer gemischten Psychotherapie ist bei gleicher Wirksamkeit kürzer als bei einer traditionellen Psychotherapie. Das war das Ergebnis eines Forscherteams aus den Niederlanden. Sie untersuchten in zwei Pilotstudien eine Variante der gemischten Psychotherapie, bei der sich die Bearbeitung von Online-Inhalten auf der einen Seite mit persönlichen Therapiesitzungen auf der anderen Seite abwechselten (Kooistra et al., 2016, 2019).
- Die gemischte Therapie kommt mit weniger persönlichem Kontakt zwischen Therapeuten und Patienten aus, als es in der klassischen Psychotherapie der Fall gewesen wäre. Das hat den immensen Vorteil, dass die knappe Ressource “Psychotherapeut” so besser nutzbar gemacht werden kann (Nakao et al., 2018).
- Eine echte verzahnte Therapie spart nicht nur Zeit, sondern senkt auch die Therapieabbruchquote. Daneben vermag sie, erzielte Therapieergebnisse besser zu stabilisieren (Erbe et al., 2017).
- Eine weitere Erkenntnis der o.g. Studie war, dass die Therapeuten die gemischte Therapie gegenüber separaten, rein digitalen Interventionen wie z.B. DiGA´s klar bevorzugen.
- Therapeuten, die digitale Anwendungen in ihre Therapie einbezogen haben, empfinden die Nutzung von diesen Anwendungen als grundsätzlich vorteilhaft. Sie hoben ausdrücklich das Potenzial digitaler Apps bzw. digitaler Tools hervor, insbesondere im Hinblick auf das Monitoring der Patienten oder die Hilfestellung bei der Diagnostik. Auch die Übertragung therapeutischer Inhalte in den Alltag, die bessere Verfügbarkeit therapeutischer Inhalte und die Verbesserung der therapeutischen Beziehung durch direktere und zielgerichtetere Interaktionen mit dem Patienten werden als hilfreich angesehen (Schuster, Pokorny et al. 2018; Titzler et al. 2018).
- Die Ergebnisse der Studienlage deuten eindeutig darauf hin, dass die gemischte Therapie dazu beitragen kann, die Therapie für Patienten noch effizienter zu gestalten, und das bei gleichem Aufwand und Engagement des Therapeuten. Und sie vermag die Therapie insgesamt für Psychotherapeuten zu vereinfachen.
Insbesondere bei Angststörungen zeigen die Forschungsergebnisse, dass digitale Programme ebenso gut zur Nachsorge beitragen und die erzielten Behandlungserfolge aufrechterhalten können (Hennemann und Kollegen, 2018). Auch die AngstAkademie macht sich diese Erkenntnis zunutze und legt nach Abschluss der Therapie viel Wert auf eine digitale Nachsorge.
Auch wenn es bereits handfeste Erkenntnisse für die hohe Effektivität der gemischten Psychotherapie gibt, sollte noch mehr Forschungsaufwand betrieben werden, um die Ergebnisse abzusichern. Der hohe Grad an Verzahnung zwischen Psychotherapiesitzungen und Online-Intervention wird trotz ihrer Aktualität aus unserer Sicht leider noch zu wenig beforscht. Dazu möchte die Psychotherapie Akademie ihren Beitrag leisten und wird auch ihre Therapie-Kurse über die Zeit wissenschaftlich evaluieren lassen.
Bislang wird die gemischte Psychotherapie in Deutschland noch nicht in der Regelversorgung eingesetzt, da es einige Barrieren gibt, die hinsichtlich der Implementierung einer gemischten Psychotherapie noch bestehen. So behindern einige Faktoren die Einführung von verzahnten Therapien in niedergelassenen Praxen, u.a. weil es zu viele heterogene Therapieverfahren mit unterschiedlichen Ansätzen gibt. Außerdem gibt es bislang noch keine digitalen Anwendungen, die den hohen Ansprüchen der Therapeuten gerecht werden. Die Psychotherapie Akademie möchte genau diesen Ansprüchen genügen. Wir möchten die Lücke schließen und Vorreiter einer erfolgreichen, gemischten Psychotherapie im deutschsprachigen Raum sein.
Die Psychotherapie Akademie sieht sich als Vorreiter für Optimierung von angewandter gemischter Psychotherapie mit maximaler Flexibilität für Patienten und Therapeuten
Die Psychotherapie Akademie hat für verschiedene Störungsbilder zugeschnittene integrative Therapieprogramme auf verhaltenstherapeutischer Grundlage entwickelt, die die Vorteile der gemischten Psychotherapie vereinen und für Therapeuten maximale Flexibilität ermöglichen. Dabei legen wir hohen Wert auf Qualitätssicherung und empfehlen jeden Therapeuten sich auf unsere integrativen Kurse fortbilden zu lassen. Darüberhinaus erhalten die Therapeuten zahlreiche Tools und psychoedukative Materialien an die Hand, die sie flexibel einsetzen können.
Wir haben erkannt, dass die vertrauensvolle Beziehung eines Patienten zu seinem Therapeuten einen großen Anteil für dessen Genesung ausmacht, unabhängig von der hintergründigen Therapieschule (Probst et al., 2019). Ein menschlicher therapeutischer Kontakt scheint trotz der vielen digitalen Möglichkeiten unersetzbar. Aus diesem Grund empfehlen wir die verzahnte Psychotherapie aus Kursen PLUS Gesprächen. Aber auch eine “Stand-Alone-Lösung” ist mit unseren Kursen möglich, auch wenn die Erfahrung zeigt, dass die Kombination deutlich effektiver ist.
Vor dem Hintergrund der bisherigen und vielversprechenden Studien, sind wir davon überzeugt, dass die verzahnte Therapie, bei der die Übungen und psychoedukativen Inhalte in der Online Therapie App in den begleitenden therapeutischen Gesprächen vor- und nachbesprochen werden, der therapeutische Königsweg ist. Und wir glauben fest daran, dass diese Form der Therapie in den nächsten Jahren ihren Siegeszug antreten wird. Hierzu werden wir unseren Beitrag leisten, auch mit dem Ziel, mit unserem Konzept die Versorgungslücke etwas schließen zu können.
- Andersson, G., Titov, N., Dear, B. F., Rozental, A., & Carlbring, P. (2019). Internet-delivered psychological treatments: From innovation to implementation. World Psychiatry, 18(1), 20–28.
- BPtK. (2021). BPtK-Auswertung: Monatelange Wartezeiten bei Psychotherapeut*innen. https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2021/03/20210329_pm_bptk_
monatelangeWartezeiten.pdf
- Ebert, D. D., van Daele, T., Nordgreen, T., Karekla, M., Compare, A., Zarbo, C., Brugnera, A., Overland, S., Trebbi, G., Jensen, K. L., Kaehlke, F., & Baumeister, H. (2018). Internet- and mobile-based psychological interventions: Applications, efficacy, and potential for improving mental health. - - European Psychologist, 23(2), 167–187.
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- Nakao, S., Nakagawa, A., Oguchi, Y., Mitsuda, D., Kato, N., Nakagawa, Y., Tamura, N., Kudo, Y., Abe, T., Hiyama, M., Iwashita, S., Ono, Y., & Mimura, M. (2018). Web-Based Cognitive Behavioral Therapy Blended With Face-to-Face Sessions for Major Depression: Randomized Controlled Trial. Journal of Medical Internet Research, 20(9), e10743. https://doi.org/10.2196/10743
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